Seit Monaten „wohnte“ eine junge Frau, nennen wir sie Anna, auf der Straße nahe der Reeperbahn. Ein bürgernaher Beamter der Davidwache konnte das Vertrauen von Anna gewinnen. Sie erzählte ihm von ihrer Familie, die in einem kleinen Ort 300 Kilometer entfernt von Hamburg, lebt.
Ständig erwähnte sie ihren Vater und wie sehr sie ihn vermissen würde.
Irgendwann gab Anna dem Beamten die Telefonnummer des Vaters. Der Beamte nahm Kontakt zum Vater auf und hielt ihn durchgehend über seine Tochter auf dem Laufenden.
Anna ging es schlecht, Drogen, Kälte und mangelnde Hygiene ließen sie zunehmend verwahrlosen. Wir lernten sie Weihnachten kennen und boten ihr Hilfe an. Damals lehnte Anna diese ab.
Der Vater signalisierte immer wieder, dass Anna nach Hause kommen könnte, die Familie würde sie mit offenen Armen empfangen. Annehmen wollte Anna diese Hilfe nicht, aber man konnte spüren, wie sehr sie es freute, dass sich ihr Vater um sie sorgte.
Anna bekam nach Weihnachten einen Platz in einer Notunterkunft und wollte dort auch an ihrer Drogensucht arbeiten. Anna ging es merklich besser, jedoch fühlte sie sich in dieser Unterkunft und auch in der Beratung nicht wohl. Der Gang zurück auf die Straße erfolgte dann kurz darauf.
Der Beamte und auch wir trafen auf Anna und boten ihr erneut Hilfe an. Noch immer lehnte sie weitere Angebote ab, aber irgendwas passierte mit ihr, denn ein paar Tage später bat sie den Beamten und uns um Hilfe. Sie wollte nach Hause, zu ihrer Familie.
Hilfsangebote am Heimatort haben wir an Anna und ihren Vater weitergegeben und ihr eine Fahrkarte gekauft. Gestern hat sie sich auf den Weg „nach Hause“ gemacht.
Ein Polizist mit ganz großem Herz hat dafür gesorgt, dass der Kontakt zum sozialen Netzwerk „Familie“ nicht abreißt und so Anna einen Neustart Zuhause ermöglicht. Danke schön für so viel Herz!
Die Reeperbahn ist Hamburgs bekannteste Straße im Vergnügungsviertel im Stadtteil St. Pauli und gilt als schillerndste und sündigste Meile der Welt. Ca. 20 Millionen Besucher bummeln jährlich über die 930 Meter lange Straße und wollen Glanz, Licht, Musik und Skurrilität erleben.
St Pauli ist aber auch trist und hässlich. Es stinkt es nach Urin, nach Fäkalien, nach verdorbenen Essen. Vor den Ladeneingängen, in den Seitenstraßen und auch mitten auf Hamburgs Rotlichtboulevard liegen MENSCHEN und vegetieren vor sich hin.
Angesehen werden Sie entweder mitleidig oder mit Ekel in den Augen, sehr gern werden sie aber „einfach“ übersehen. Gewalttätige Übergriffe durch ihre Mitmenschen erfahren sie öfter. „Gern“ wird auf sie auch uriniert oder behinderten obdachlosen Menschen werden ihre Gehhilfen oder Rollstühle gestohlen.
Unvorstellbar, was Menschen Mitmenschen antun können, die bereits am Rande der Gesellschaft leben. Das ist nicht nur würde- und respektlos, sondern ein asoziales Verhalten.
Jeder von uns kann in eine soziale Notlage kommen. Jeder von uns ist auf soziale Kontakte und Empathie angewiesen. Jeder von uns kann seine Mitmenschen anschauen und wahrnehmen. JEDER!!!!
Hamburg St. Pauli – Hier liegen Glanz und Elend so nah bei einander wie sonst nirgendwo in Hamburg.
Wenn die Lichter ausgehen, ist St. Pauli trist und hässlich. Entlang der Reeperbahn findet man obdachlose Menschen auf ihren Schlafmatten liegend auf dem Gehweg oder in Hauseingängen.
Obdachlosigkeit, Drogen und Perspektivenlosigkeit – auch das ist St. Pauli.
St. Pauli ist aber auch offenherzig und human. Hier gibt es Nachbarschaftshilfe, hier gehen Polizisten auf Tuchfühlung mit bedürftigen Menschen. St. Pauli ist herzlich und aufmerksam.
Nicky Wichmann, Inhaberin vom Amsterdam-Headshop auf der Reeperbahn, hat uns von ihrem Leben auf St. Pauli erzählt.
Hier gehts zum Inteview: