Schattenseiten in deutschen Städten

Nach Auskunft der Bundesregierung ist die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland auf rund 335.000 gestiegen - ein Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Der Anstieg hat Deutschlands Großstädte völlig unvorbereitet getroffen - und so kämpfen nicht nur Hamburg, sondern auch Köln, Frankfurt, Berlin, München und andere Städte mit dieser Herausforderung.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Hamburg haben wir in vielen Gesprächen mit obdachlosen Menschen erfahren, dass diese Stadt sehr viele Hilfsangebote für obdachlose und bedürftige Menschen bietet und sie sich "gern" hier aufhalten. Wie aber leben Obdachlose in anderen Städten? Wir haben uns auf den Weg gemacht und uns in zehn anderen Städten in Deutschland umgesehen.

 

Angefangen haben wir mit unserer Tour in der Stadt Köln. Diese Stadt gilt als Obdachlosen-Hochburg in Nordrhein-Westfalen. Angeblich leben in Köln nur 200 Menschen tatsächlich auf der Straße, was wir jedoch in Frage stellen. Gesehen haben wir viele Platten in der Nähe des Kölner Doms und in Unteführungen. Die Innenstadt aber war fast "Obdachlosenfrei".

 

Auch in den Städten Düsseldorf, Essen, Dortmund, Leipzig und Mannheim konnten wir zuerst keine Platten finden. Auf Nachfrage bei Security Mitarbeitern wurde uns mitgeteilt, dass es kaum Menschen gäbe, die draußen schlafen! Dafür würde es ja ausreichend Wohnheime geben. Wir bezweifelten dieses und haben uns weiter umgesehen. Fündig wurden wir in den Fußgängerzonen. Dort schliefen einige Obdachlose in Eingängen vor den geschlossenen Geschäften oder aber in Parkanlagen. Im Innenstadtbereich dieser Städte konnten wir jedoch einen sichtbaren Gegensatz zur Stadt Hamburg feststellen, denn hier hielten sich kaum obdachlose Menschen auf. Lediglich auf und an den Bahnhöfen haben wir Menschen gesehen, die versucht haben, sich ein wenig Geld zu erbetteln.

 

In Berlin gelten ca. 17.000 Menschen als wohnungslos. Hier übernachten obdachlose Menschen an Bahnhöfen, Fußgängerzonen und an touristischen Plätzen. Für uns waren in Berlin deutliche Parallelen im Umgang mit den Obdachlosen zur Stadt Hamburg zu sehen. Auch in Berlin sind obdachlose Menschen überall in der Stadt zu finden.

 

Auf unserer Tour durch Frankfurt, Hannover und Bremen haben wir in den Grünanlagen rund um die Innenstadt und in den zahlreichen Einkaufsstraßen Obdachlose und ihre Schlafstätten antreffen können. In Frankfurt wurde uns berichtet, dass eine große Anzahl obdachloser Menschen, die hauptsächlich aus den osteuropäischen Ländern stammen, ihre Schlafplätze am Flughafen haben.

 

Als Fazit unserer Städtetour können wir sagen, dass es in jeder größeren Stadt in Deutschland "Schattenseiten" gibt. Der Umgang mit obdachlosen Menschen varriert in den Städten jedoch sehr stark. Während in einigen Städten auch obdachlose Menschen zum Innenstadtbereich gehörten, konnten wir feststellen, dass andere Städte wiederum den Aufenthalt von Obdachlosen im Innenstadtbereich durch den Einsatz von Security Mitarbeitern, dem Ordnungsamt oder anderen baulichen Hürden erschwerten. Wir können durchaus nachvollziehen, dass obdachlose Menschen sich in Städten wie Hamburg oder Berlin "einrichten".

 

Noch besser wäre es jedoch, wenn die wachsenden Probleme Obdachlosigkeit und Armut in Deutschland mit gezielt eingesetzten Maßnahmen wirkungsvoll bekämpft werden könnten. Hauptgründe für den Anstieg der Wohnungslosigkeit sind der angespannte Wohnungsmarkt und die zunehmende Verarmung einiger Bevölkerungsschichten.

 

Sozialer und bezahlbarer Wohnraum allein sind jedoch nicht genug Hilfestellung für wohnungslose Menschen. Es gibt Obdachlose, die gar keine Wohnung mehr wollen, da sie beengete Räume und nachbarschaftliches Zusammenleben nicht mehr ertragen können.

Viele haben sich in ihren Lebensverhältnissen so eingerichtet, dass es ihnen schwer fällt, sich von ihrer Identität als Ausgestoßener zu lösen. Selbstschädigende Verhaltensweisen hängen dabei oft auch damit zusammen, dass viele Obdachlose psychisch nicht gesund sind.

 

Diesen Menschen mit z. B. einem Wohnprojekt (einer Art "betreutes Wohnen" zur sozialen Intergration in die Gesellschaft) oder aber durch das z. B. in Finnland erfolgreich praktizierte Projekt "Housing First" (jeder Wohnungslose erhält sofort eine Wohnung und in dieser Wohnung bedarfsgerecht kontinuierlich soziale Unterstützung. Diese Unterstützung kann in Anspruch genommen werden, ist aber nicht verpflichtend) eine Hilfestellung zur sozialen Wiedereingliederung zu ermöglichen.

 

Denn Fakt ist: Je länger jemand auf der Straße lebt, umso größer ist das Risiko, dass der Anschluss an die Gesellschaft nahezu vollständig verloren geht!