Stimmen von der Straße - Stimmen zum Winternotprogramm

Die Sozialbehörde bekundet bisher weder Empathie noch Mitgefühl um die Menschen, die bisher auf der Straße gestorben sind. Dreist aber verkündet der Pressesprecher der Sozialbehörde „Wer das Winternotprogramm schlechtredet, trägt dazu bei, dass Menschen es nicht nutzen und gefährdet sie dadurch“.

 

Seit Jahren ist bekannt, dass das Winternotprogramm von obdachlosen Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht aufgesucht wird. Trotzdem ist die Sozialbehörde nicht bereit, ihr angeblich „gutes Hilfsprogramm“ zu überarbeiten und revidieren.

 

Hier sind die Stimmen derer, die es vorziehen, selbst bei Frost, Eis und Schnee lieber auf der Straße unter desolaten Bedingungen zu schlafen, als das Winternotprogramm aufzusuchen – Liebe Sozialbehörde, hier sind die Stimmen „direkt von der Straße“, die Stimmen der obdachlosen Menschen und wenn ihr JETZT nicht reagiert und neue Hilfen überdenkt, so nimmt ihr in Kauf, dass sich die Zahl derer, die auf der Straße sterben werden, erhöht!

 

Stimmen von der Straße - Statements zum WNP obdachloser Menschen:

 

Männlich, obdachlos

„Ich gehe nicht ins Winternotprogramm. Ich kann die Enge in den Räumen dort nicht ertragen. Ich möchte nicht mit fremden Menschen in einem Zimmer sein. Und jetzt würde ich sowie so nicht gehen, ich will doch kein Corona bekommen. Da bleibe ich lieber draußen, auch, wenn es so kalt ist“.

 

Weiblich, obdachlos

„Winternotprogramm, nee danke. Abgesehen von der Ansteckung mit Corona habe ich Angst vor Diebstahl. Ich soll mit fremden Menschen auf ein Zimmer und wache morgens auf und meine Sachen sind weg. Nein, da bleibe ich lieber draußen. Außerdem darf ich meinen Hund nicht mit ins Winternotprogramm nehmen und ich trenne mich bestimmt nicht von meinem Hund“.

 

Männlich, obdachlos

„Ich bin Alkoholiker und darf im Winternotprogramm nicht trinken. Das würde ich nicht aushalten. Außerdem lasse ich mich nicht mit Fremden in ein Zimmer stecken. Das funktioniert nicht. Und morgens dann immer raus, nee danke. Und wegen Corona würde ich sowieso nicht dorthin gehen“.

 

Männlich, obdachlos

„Auch bei der größten Kälte würde ich niemals in eine Einrichtung oder ins Winternotprogramm gehen. Ich mag nicht so eng mit anderen zusammen sein, bin eher der typische Einzelgänger“.

 

Männlich, ehemals obdachlos

„Ins Winternotprogramm gehe ich auf gar keinen Fall, egal, wie kalt es draußen wird. Auch ins Pik As werde ich nicht gehen. Ich war dort mal und habe es mir angesehen. Nein, danke! Mit 12 Männern auf einem Zimmer, Gewalt und Diebstahl an der Tagesordnung und die hygienischen Zustände dort, nee, vielen Dank“.

 

Männlich, obdachlos

„Ich sollte ins Winternotprogramm. Nee, danke. Mit mehreren fremden Menschen auf einem Zimmer, das ist nichts für mich. Da wirst Du doch beklaut und verprügelt, nee, da bleibe ich lieber in meinem Zelt“.

 

Weiblich, obdachlos

„Ich war ein paar Mal im Winternotprogramm. Es ist nicht schön, mit fremden Menschen in einem Zimmer schlafen zu müssen. Ich mache dann kein Auge zu, habe immer Angst vor Diebstählen oder Gewalt und jetzt, na klar, habe ich wahnsinnige Angst vor Corona. Da hält sich doch im Zimmer keiner an Abstand oder Hygiene, viele wissen doch gar nicht, was das ist.

Und morgens wird man wie Vieh rausgeschmissen. Egal, ob es schneit, regnet, kalt ist oder Du Dich nicht fühlst. Du musst raus auf die Straße. Das gibt mir nochmal das Gefühl, nichts wert zu sein. Außerdem gefällt es mir nicht, wie die Wachleute mit uns umgehen, das sind Leute, bei denen ich den Eindruck habe, dass es denen Spaß macht, uns blöd zu behandeln“.

 

Männlich, ehemalig obdachlos

„Mit Behörden habe ich schon immer schlechte Erfahrungen gemacht. Habe mir lieber selber geholfen. Damals 1989, gab es noch kein Hilfsprogramm, nur Sammelunterkünfte wie z. B.  Pik AS und noch eine andere. Betroffene haben mir abgeraten Diebstahl untereinander etc.).

Erst der Mitternachtsbus mit einer Straßen-Sozialarbeiterin haben mir geholfen bzw. Zugeredet, behutsam!!! Es hat lange gedauert, bis ich mir eingestand, alleine schaffe ich es nicht und stand dann vor ihrer Bürotür. Sie hat mich gleich an die Hand genommen. Ohne Sie wäre ich wohl immer noch auf der Straße!!!

Ohne die Hilfe vom Mitternachtsbus und deren Mitarbeitern hätte ich es nicht geschafft. Die Behörde hat rein gar nichts für mich gemacht“.

 

Weiblich, obdachlos

„Unter der U-Bahnbrücke an den Landungsbrücken habe ich mit Sack und Pack und meinen zwei Hunden geschlafen, bis ich eine Räumungsaufforderung von der Stadt erhalten habe. Dafür hat mir die Stadt aber ein Zimmer im Pik As besorgt, in das ich mit meinen Sachen und auch mit meinen Hunden einziehen konnte. Zwar habe ich ein eigenes Zimmer, aber im Pik As muss man immer die Augen offen haben, sonst wird man beklaut. Hier gibt es ständig Streit. Außerdem kann man sich dort, wenn man nicht aufpasst, irgendwelche Krankheiten holen.

     Unterhalten würde ich mich wirklich gern mal mit Herrn Tschentscher, dem Bürgermeister. Den würde ich mal ganz genau über die schlimmen Zustände, die für uns Obdachlose auf der Straße herrschen, unterrichten und ihn fragen, warum es ein solches Problem ist, ein Gelände mit Containern für uns Obdachlose zur Verfügung zu stellen oder dafür zu sorgen, dass wirklich geeignete Fachkräfte in den Notunterkünften sind“.