Case Studies einiger ehemaligen Hotelbewohner

(anonymisiert)

 

Martin, 40 Jahre


Seit Jahren obdachlos (Aufgrund einer Scheidung in eine instabile Lebenslage und
anschließend in die Obdachlosigkeit gekommen). Suchtkrank mit dem Willen zum Entzug,
aber jeder Versuch, auf der Straße einen Entzug langfristig durchzuhalten, scheitert
verständlicherweise.
Das Umfeld von Martin (Hauptbahnhof) ist behaftet mit Drogen und Alkohol und es ist
absehbar, dass Martin schwerwiegende körperliche Probleme bekommt.
Er bezieht am 1. Mai 2021 als einer unserer ersten Gäste ein Hotelzimmer im Schanzenstern
Hotel. Mit dem Sozialarbeiter versuchen wir, Martin von einem Entzug und einer
anschließenden Langzeittherapie zu überzeugen. Nach mehreren alkoholbedingten
Abstürzen äußert er den Wunsch, sein Leben zu ändern und geht im Juli 2021 zum Entzug
und von dort aus im August 2021 direkt in eine Langzeittherapie, welches er Beides
erfolgreich absolviert hat. Wir haben Martin signalisiert, dass sein Hotelzimmer nach der
Therapie für ihn bereitsteht und er nicht wieder zurück auf die Straße muss. Martin konnte
jedoch nach Beendigung der Langzeittherapie in eine betreute Wohngruppe nach SchleswigHolstein ziehen. Hier hat er ein eigenes Zimmer und auch Arbeit finden können. Er selber
äußerte, dass er diesen Weg niemals von der Straße aus geschafft hätte, sondern durch die
Möglichkeit im Hotelzimmer zur Ruhe zu finden, sein Leben nicht nur neu überdenken,
sondern mit aller Hilfe auch neu ausrichten konnte.

 

 

Ronni, 60 Jahre

 

Ronni war lange Zeit als Berber, auch im Ausland, unterwegs und so seinen Anschluß ins
Regelsystem verloren. Er hatte seine Platte ebenfalls am Hauptbahnhof und wurde dort von
Ehrenamtlern und einem Sozialarbeiter betreut. Ronnie erkrankte schwer an Multiple
Sklerose und war daher sehr eingeschränkt in seinem Bewegungsmodus. Der
Allgemeinzustand von Ronnie war besorgniserregend.
Als er, ebenfalls am 1. Mai, in das Schanzenstern Hotel zog, war er glücklich über das
Zimmer, bekam aber weitere MS Schübe, so dass es ihm nur möglich war, im Hotelzimmer
zu verweilen. Da die Krankenkasse die Anschaffung eines Elekroscooter abgelehnt hat,
wurde durch Spenden vom Hotel, dem Sozialarbeiter und uns ein eigenes Mobil für Ronnie
angeschafft. Er wurde sofort lebensfroher und zugänglicher für weitere Veränderungen in
seinem Leben. Durch die neugewonnene Mobilität erledige Ronnie viele Behördengänge
selbstständig und wurde auch dadurch wieder selbstbewusster. Mitte August ist Ronnie mit
Hilfe von allen Projektbeteiligten in eine behindertengerechte Wohnung einer Stiftung
eingezogen.

 

 

Piotr und Dorota, 30 und 35 Jahre

 

Beide sind aufgrund eines Arbeitsangebotes von Polen nach Deutschland gekommen. Leider
stellte sich dieses „Angebot“ jedoch als eine Arbeit ohne Bezahlung heraus. Da weder
Verträge noch sonstige Abrechnungen oder Anmeldungen vorgenommen wurden, waren
Beide ohne Anspruch auf Leistungsbezug hier in Deutschland. Dorota wurde schwer krank
und musste medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Wir vermittelten für Dorota Zugang zur
Praxis ohne Grenzen und sie konnten am 29. Mai ein Zimmer im Schanzenstern beziehen.
Dorota benötigte diese Ruhe, um vollständig wieder zu genesen. Piotr hat unzählige
Bewerbungen geschrieben und fand im November wieder eine Arbeit. Im Dezember konnten
Beide in eine eigene Wohnung ziehen. Dorota ist wieder vollständig genesen und hat
ebenfalls eine Arbeit finden können. (Seitens der Sozialbehörde hätten diese beiden
Personen weder Leistungen beziehen können noch einen Anspruch auf eine Notunterkunft
bzw. Winternotprogramm gehabt).

 

 

Peter, 53 Jahre

 

War 16 Jahre im Ausland und hat aufgrund fehlender Papiere keine Möglichkeit, einen
Ausweis zu erhalten, Leistungen zu beantragen etc. Lebt obdachlos auf eine Platte in der
Innenstadt. Zieht im November 2021 ins Schanzenstern Hotel. Sozialarbeiter beantragen
Identitätsprüfung und beantragt die notwendigen Leistungen bzw. Anmeldungen zur
Krankenkasse. Peter entwickelt im Hotel langsam wieder Selbstvertrauen und geht gern
jeden Schritt mit uns. Im März 2022 erfolgte die Unterhaltssicherung für Peter und Ende April
2022 konnte er in eine sozialgeförderte Wohnung ziehen. Niemals hätte er diese
notwendigen und schwierigen Schritte allein und auf der Straße unternehmen können.
Aussage Peter: Wäre ich auf der Straße geblieben, würde ich heute nicht mehr leben.