Jahresrückblick 2022


Liebe Interessenten, Förderer, Unterstützer und Freunde von Leben im Abseits,

2022 neigt sich dem Ende zu und wieder fragen wir uns: Wo ist nur das Jahr geblieben? Ein Jahr, welches noch immer mit der Corona Pandemie, mit der Wirtschaftskrise und dem furchtbaren Krieg in der Ukraine behaftet ist. Kurz vor dem Jahreswechsel ziehen wir ein Resümee und lenken den Blick auf die Dinge, die uns in diesem Jahr beschäftigt und bewegt haben.

Im Winter 2020/2021 wurde die Stadt Hamburg Vorreiter der Städte, die die meisten verstorbenen Menschen auf der Straße verzeichnen musste. Traurige und unsichtbare Spuren, die diese Menschen auf Hamburgs Straßen hinterlassen haben. Der Tatbestand weist auf ein völlig unzureichendes Versorgungsprogramm hin, aber die Sozialbehörde Hamburg beharrt noch immer darauf, dass Hamburg ein ausreichendes Hilfesystem hat.

Der FC St. Pauli hat mit einer Spendenaktion „Zimmer statt Straße“, zu der der Verein seine Fans und Sponsoren aufgerufen hat, eine unglaubliche Spendensumme erzielt. Einen Teil dieser Summe hat unser Verein bekommen. So war es uns möglich, für einige obdachlose Menschen eine Unterkunft mit Einzelzimmern in Hotels bis einschließlich Mitte Mai finanzieren. Einen ganz großen Dank dafür, auch im Namen der obdachlosen Menschen.

Aufgrund der Pandemie mussten wir fast alle Veranstaltungen unserer Reihe „Hamburger Dialoge über Obdachlosigkeit“ sowie unsere neue Reihe „Armes, reiches Hamburg – Eine Stadt voller sozialer Kontraste“ absagen. Seit November konnten wir aber wieder mit der Dialogreihe an den Start gehen und freuen uns auf weitere Expertentalks im neuen Jahr.

Bildungsprojekte an Schulen waren bisher weiterhin nur im Online-Format möglich. ABER: Wir freuen uns über diverse Anfragen, die uns zur zeitlichen Abstimmung derzeit vorliegen. Die Bildungsprojekte liegen uns sehr am Herzen, denn Jugendliche sind die Zukunft und hier gilt es frühzeitig zu sensibilisieren, damit ein Umdenken zum Thema Armut und Bedürftigkeit erreicht werden kann.

Im Januar und Februar wurde seitens der Eisbademeisters eine Spendenaktion für uns durchgeführt. Die tapferen Menschen sind selbst bei Minusgraden in die Elbe gesprungen. Diese Aktion hat die Öffentlichkeit auf das unerträgliche Leid obdachloser Menschen aufmerksam gemacht. Dank großzügiger Patenschaften kam eine immense Spendensumme zusammen.

Im Mai haben wir den PSD Bank Nord Förderpreis für unser nachhaltiges Projekt „Der Schritt Vorwärts-Ein Weg aus dem Abseits“ erhalten. Eine sehr freudige Würdigung unserer Arbeit.

Im Juni haben wir neue Fotos auf der Ausstellung „Hamburg zeigt Kunst“ präsentieren können. Sehr vielen Besuchern der Messe konnten wir unsere Vereinsarbeit vorstellen und die Thematik Obdachlosigkeit und Bedürftigkeit näherbringen. Im kommenden Jahr werden wir in diversen Locations unsere neue Fotoreihe „ÜBER•LEBEN - im Schatten des Glanzes“ ausstellen.

Während der Hitzeperiode in diesem Sommer war die Verteilung von Wasser und Sonnenschutzmitteln unsere tägliche Aufgabe. Die Menschen auf der Straße haben sehr unter der Hitze und den fehlenden Rückzugsmöglichkeiten gelitten. Der Kältebus, der normalerweise von November bis April im Einsatz ist, wurde kurzerhand zum Getränkebus umfunktioniert und ehrenamtlich Tätige verteilten in der Stadt Wasser. Die dafür eigentlich zuständige Gesundheitsbehörde Hamburg traf in einem Interview die Aussage, dass der Senat trotz der großen Hitzewelle keinen Handlungsbedarf sieht! Einfach unfassbar.

Wir sind unendlich glücklich und dankbar, dass wir bei der Finanzierung unseres Projektes „Der Schritt Vorwärts - Ein Weg aus dem Abseits“ so großartig von Ihnen unterstützt werden. Wir konnten dem Hotel Schanzenstern die Unterbringung auch ins Jahr 2023 hinein abstimmen.
Das Projekt organisiert und finanziert die Einzelunterbringung sowie Betreuung obdachloser Menschen für einen Übergangszeitraum in Einzelzimmern im Hotel Schanzenstern Altona. Seit Projektbeginn konnten bisher 18 Menschen in Wohnraum vermittelt werden.

Vielen obdachlosen Menschen haben wir auch in diesem Jahr mit unserem Sozialfonds finanziell bei der Beschaffung von Ausweispapieren, Fahrkarten etc. unter die Arme greifen können. Nach wie vor sind wir täglich auf der Straße unterwegs, um nach den obdachlosen Menschen zu schauen, sie ggf. an andere Einrichtungen zu vermitteln oder mit ihnen und erfahrenen Sozialarbeitern den Weg zurück ins Regelsystem zu planen. Sehr auffällig ist hier, dass die Anzahl der Menschen auf der Straße stetig steigt und die zunehmende Verelendung der Menschen ebenfalls stark sichtbar ist.

Mit unseren aktuellen Personalkapazitäten stoßen wir an Grenzen und auch die Sozialarbeiter aus unserem Netzwerk haben kaum noch zeitliche Ressourcen. Wir planen daher derzeit die Einstellung eines Sozialarbeiters in Teilzeit. Es ist abzusehen, dass Obdachlosigkeit und Bedürftigkeit nach Jahren der Pandemie und Wirtschaftskrise zunehmen werden. Gezielte Sozialarbeit zur Prävention ist hier dringend von Nöten.

Gemeinsam mit dem FC St. Pauli und einigen Initiativen der Obdachlosenhilfe aus dem Arbeitskreis Armut und Obdachlosigkeit, haben wir 2019 erstmalig den „Tag der Begegnungen“ ins Leben rufen können. Unter dem Motto: St. Pauli sind wir alle lud der FC St. Pauli in den Ballsaal im Millerntor zu einem Tag der Begegnungen ein. Dieser Tag fand einen sehr großen Anklang und konnte während der Corona Pandemie leider nicht wiederholt werden. Umso schöner für uns alle, dass er jetzt wieder stattfinden konnte und ebenso zu einem großartigen Nachmittag für alle wurde. Dieser Tag soll, wie auch vorher geplant, jährlich stattfinden.

Der Winter stellt uns, nach wie vor, alle vor große Herausforderungen. Die Stadt Hamburg bleibt, unverständlich für uns, bei der Unterbringung in Massenunterkünften. Des Weiteren müssen alle obdachlosen Menschen die Notunterkünfte am Morgen verlassen und dürfen erst ab 17 Uhr wieder in die Unterkunft. Einen Tagesaufenthalt, wie auch von anderen politischen Parteien und Initiativen der Obdachlosenhilfe gefordert, lehnt die Behörde kategorisch ab. Um die Sozialbehörde Hamburg zu einer anderen Wohnungslosenpolitik aufzufordern, suchen wir aber weiter Gespräche mit den politischen Vertretern in Bezirksversammlungen und Bürgerschaft. Unser Ziel ist es, gemeinsame Anträge und Konzepte an den Hamburger Senat zu verfassen sowie die Öffentlichkeit über die prekären Verhältnisse in der Obdachlosenproblematik aufmerksam zu machen und um Unterstützung für einen erforderlichen Paradigmenwechsel zu bitten.

Bis es aber so weit ist, werden wir täglich auf der Straße sein, um mit Kleidung, Nahrung, finanziellen Mitteln und vor allem mit Zuhören versuchen, den Menschen auf der Straße ein wenig Wärme zu geben. Ihnen allen sagen wir nochmals herzlichen Dank für die Unterstützung in Form von Spenden, Worten und Sachmitteln dabei. Es ist wunderbar, Sie alle bei dieser wichtigen Arbeit dabei zu haben. Nur durch Ihre Unterstützung ist es uns möglich, unsere Arbeit leisten zu können. Das ist uns täglich bewusst und dafür danken wir Ihnen so sehr.

Danke schön, für Ihre große empathische und finanzielle Hilfe, für Ihr Engagement sowie Ihr anhaltendes Interesse und Ihre Würdigung unserer Arbeit. Wir hoffen, Sie bleiben auch im kommenden Jahr an unserer Seite.

Jetzt wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie erstmal eine schöne Weihnachtszeit, erholsame Festtage sowie ein glückliches und gesundes Jahr 2023.

Das Team von Leben im Abseits e. V.